Energiemanagement und aufkommensneutrale Bepreisung von ausgewählten Elementen helfen dem Klima

Dr. Georg Riegel (CEO von deZem) gibt Antworten zum Nutzen von Energiemanagementsystemen und bietet sich als Politikberater an.

Dr. Georg Riegel überwacht mit seinem Cloud basiertem Energiemanagementsystem die Bedigungen seiner Honigfabrik im Herzen von Berlin.

Herr Dr. Riegel, Sie bieten Cloud-Software für Energiemanagementsysteme an. Welches Potential steckt in dieser hoch digitalen Technologie für die klimaneutrale Industrie in Deutschland?

Dr. Riegel: Die cloudbasierte Daten- und Analyseplattform ermöglicht die zielorientierte Zusammenarbeit von Teams aus Energie- und Umweltmanagern, Unternehmensführung, technisch Verantwortlichen, Einkauf, Betriebsrat, externen Lieferanten und Spezialisten für einzelne Themen sowie uns als Cloudanbieter. Gelingt das, so entfaltet sich ein unglaublich kraftvolles Potenzial im Sinne von Anlagenverfügbarkeit und -lebensdauer, Produktivitätssteigerung, Umweltentlastung und natürlich Energiekostensenkung.

Bei deZem sind wir daher der Überzeugung, dass dieser Ansatz dem üblichen und hochinvestiven Austausch von Anlagen weit überlegen ist. Die enge und gut abgestimmte Zusammenarbeit aller Beteiligten ist jenseits einer guten Softwarelösung die entscheidende Voraussetzung.

 

Ist der Nutzen für die Umwelt größer als die Kosten?

Dr. Riegel: Ja – ein attraktiveres Nutzen/Kosten-Verhältnis ist eigentlich kaum denkbar. Im Grunde tut man nur Dinge, die ein gutes QM sowieso erfordert – nur intensiver und zielorientierter als vielleicht gewohnt. Alles weitere kommt sozusagen gratis, kann auf der Nutzenseite aber schnell „millionenschwer“ sein.

 

Wie haben Sie von der Initiative „Engineers for 2° Target“ erfahren?

Dr. Riegel: Über die sehr gute Energiemanagementtagung, die die Firma Postberg vor einigen Wochen in Kassel organisiert hat.

 

Ist es aus Ihrer bisherigen beruflichen Erfahrung heraus realistisch, dass Ingenieure einen relevanten Teil zur Lösung des Klimaproblems beitragen können?

Dr. Riegel: Nicht nur können, sondern vor allem auch müssen. Es geht um das Verstehen von Zusammenhängen und das Nutzen der enormen Potenziale, die meist „zwischen den Zeilen“ liegen. Das gilt nicht nur unmittelbar technisch, sondern auch hinsichtlich durchdachter Konzepte, beispielsweise für Mobilität oder das umweltpolitische Instrumentarium.

 

In welchem Zeitraum ist dies möglich?

Dr. Riegel: Wir könnten beispielsweise sofort einen strammen Kurs „ehrlicher Preise“ für Umweltgüter einschlagen. Wenn das gut gemacht würde, dann könnte Vieles schon in 2 oder 3 Jahren anders aussehen. Innerhalb eines Jahrzehnts ist Erstaunliches möglich. Und wenn es wirklich gut liefe indem NICHT, wie leider mit dem neuen Regierungsprogramm, die Staatsquote erhöht würde, sondern jeder Euro strikt und antragsfrei an Bürger und Unternehmen zurückgeführt würde, dann dürfte daraus ein Durchbruch für soziale Gerechtigkeit und Wirtschaftsentwicklung entstehen. Gerade Deutschland könnte mit seinen vielen guten Ingenieuren eine führende Rolle erobern.

 

Wenn technische Lösungen nicht realisiert werden in Unternehmen: Wo liegen die Hindernisse und woran scheitern Ingenieure, die das Klimaziel erreichen wollen, besonders häufig im betrieblichen Alltag?

Dr. Riegel: Der betriebliche Alltag ist für viele, die von diesen Potenzialen überzeugt sind, noch mühsam. In den Industrieunternehmen ebenso wie in öffentlichen Immobilienverwaltungen oder bei den Anbietern entsprechender Softwarelösungen. Das Umfeld erkennt die Potenziale meist noch nicht. Oft sind Energiemanager aber auch nicht in erster Linie Managertypen. Das notwendige persönliche Profil wird auf den jeweiligen Führungsetagen sehr oft noch völlig falsch eingeschätzt. Dann wird nur verwaltet, und nicht gestaltet.

 

Sie wollen, dass sich Ingenieure politisch engagieren, warum?

Dr. Riegel: Ingenieure sind darauf trainiert, in Zusammenhängen zu denken. Beim Klimaschutz geht es – wie bei der sicherlich mindestens so wichtigen Rettung einer hohen Biodiversität und anderen Aufgaben – um das Zusammendenken von mittel- und langfristigen Zielen, Konzepten und technischen Lösungsansätzen. Ein entscheidendes Problem unserer kurzfristig angelegten Politik ist sicherlich, dass zu punktuell gedacht wird. Die Elektromobilität dürfte sich in diesem Sinne zu einem Klassiker entwickeln – wenn sich nicht vor allem am Mobilitätssystem Grundlegendes ändert.

 

Was befähigt Sie dazu, politisch in dieser Initiative aktiv zu sein?

Dr. Riegel: Das zu bewerten steht mir nicht zu. Das Thema interessiert mich aber brennend und seit meiner Dissertation feile ich mit Hingabe an einem Konzept für die schlanke und aufkommensneutrale Preisbeeinflussung von Umweltgütern. Meine These: Wir müssten nur bestimmte chemische Elemente (vor allem Kohlenstoff, Metalle und Schwermetalle) beim Markteintritt (EU) sowie die Art der Land- und Wassernutzung (aufgeteilt in einige Kategorien) aufkommensneutral bepreisen, um das Gesamtproblem drastisch handhabbarer und sozialer zu machen. Dafür möchte ich gerne werben. Nachhaltige Landwirtschaft wird dann schnell attraktiv, ebenso wie Energieeffizienz oder auch privat organisierte Naturparks, die vielleicht „negativ bepreist“ werden.

 

Wie können sich die Ingenieure politisch zu Wort melden?

Dr. Riegel: Greta Thunberg, das noch kleine Mädchen, hat Enormes geleistet. Aber Streiks können nur Aufmerksamkeit erzeugen und nichts lösen. Es braucht dringend Initiativen wie „Engineers for 2° Target“, die jetzt den Druck der Straße konstruktiv aufnehmen. Gerade Ingenieure sollten mit solchen Initiativen in die politische Diskussion einsteigen und Lösungen anbieten. Dazu braucht es Mut, gerade auch in Deutschland, denn Millionen von SUVs oder Flugtaxis, etc. werden ganz sicher nicht Teil dieser Lösungen sein können. Die müssen intelligenter und systemisch sein.

 

Der WWF stellt aktuell in seiner Veröffentlichung „Klimaschutz in der Industrie“ politische Forderungen an die Bunderegierung für einen klimaneutralen Industriestandort Deutschland. Können Sie diesen konkreten politischen Forderungen aus Sicht eines Ingenieurs und Unternehmers zustimmen?

Dr. Riegel: Unbedingt. Aber – auf die Gefahr hin etwas überlesen zu haben: mit dieser pauschalen Forderung macht es sich auch der WWF aus meiner Sicht zu einfach. Wichtiger wäre, dass auch der WWF klar Farbe bekennt und ein gutes, nachvollziehbares, umweltpolitisches Modell vorstellt, mit dem dieses Ziel erreicht werden soll.

 

Sollte der WWF die Forderungen nicht unmittelbar an die Industrie als dem eigentlichen Verursacher des Kohlendioxid Ausstoßes richten?

Dr. Riegel: Kann er machen, aber im Verhältnis zu anderen Bereichen hat sich die Industrie ja bereits am meisten bewegt. Gerade die öffentliche Immobilienwirtschaft hat großen Nachholbedarf, obwohl sie eigentlich Leuchtturmcharakter haben sollte. In erster Linie ist eben die Politik gefragt, die für eine zielorientierte Preislandschaft sorgen sollte. Für alle.

 

Welche technischen Lösungen wären mit Hilfe politischer Forderungen durch e42 leichter durchzusetzen?

Dr. Riegel: Würden die Umweltpreise (nicht nur fossil erzeugtes CO2) die Wahrheit besser darstellen, dann wäre Energie teurer. Auch Erneuerbare kommen ja keineswegs ohne dicken ökologischen Fußabdruck daher und es ist eigentlich Unsinn, sie zu subventionieren. Auf höhere Preise aber reagiert der Markt sofort und fragt technische und sonstige Vermeidungslösungen an. Da die Vermeidungspotenziale enorm sind, wird sich regelmäßig ergeben, dass z.B. die Energiekosten bei steigenden Energiepreisen sinken und nicht steigen! Da kommt dann richtig Freude auf.

 

Brauchen wir mehr parlamentarische Partizipation mit ingenieurtechnischem Hintergrund?

Dr. Riegel: Unbedingt! Aber klassisch sind unsere Lobbys leider noch für die besagten SUVs & Co unterwegs. Das müssen wir abstellen bzw. mit zukunftsorientierterer Partizipation ergänzen. Es sollte dabei auch eine enge Zusammenarbeit mit Unternehmensverbänden angestrebt werden. Teils gibt es da schon sehr fortschrittliche Positionen.

 

Warum sind Sie Unternehmer geworden statt Politiker zu werden?

Dr. Riegel: Ich war eigentlich immer mit je einem Fuß in beiden Welten, fand dann aber, dass vor allem per cloudbasierter Software Transparenz zu wesentlichen Zusammenhängen geschaffen werden muss, damit möglichst viele Menschen erkennen, wie effektiv Klima- und Umweltschutz sein können, und wie viel Spaß man daran haben kann.

 

Können Sie sich vorstellen für den nächsten Deutschen Bundestag zu kandidieren?

Dr. Riegel: Eine politikberatende und nicht parteibezogene Tätigkeit wäre mir wesentlich lieber.

Hintergrundinformationen zu Dr. Georg Riegel:
Er ist Inhaber und Geschäftsführer der deZem GmbH aus Berlin. Dr. Georg Riegel hat in Chile, Deutschland und Kanada Physik und Chemie studiert. 2003 gründete er die deZem GmbH. Diese entwickelt und betreibt modernste Datenerfassungs- und Softwarelösungen für das webbasierte Energiecontrolling und –management. Viele Hundert Industriestandorte und über 30.000 sonstige Gebäude aller Art nutzen diese Lösungen derzeit in ca. 40 Ländern.

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